Rittergut und Landwirtschaft
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Vor 3000 Jahren
Erster Ackerbau und Viehhaltung dürften etwa schon vor 3000 Jahren von den Menschen betrieben worden sein, welche auf Kötitzer Flur ihre Siedlung hatten (Bronzezeit). Eine Bodenbearbeitung wird mit Hacken erfolgt sein.
Die Viehhaltung war eine Weidehaltung. Im Herbst wurde nur das Vieh behalten, welches man im nächsten Jahr zur Vermehrung benötigte. Alle anderen Tiere wurden geschlachtet. Die anfallenden Fleischmengen wurden getrocknet, ein Pökeln dürfte noch nicht möglich gewesen sein.
Wir wissen bis heute noch nicht, wie lange diese Gruppen von Menschen in Kötitz gelebt haben. Es kann ohne weiteres möglich sein, daß unser Gebiet dann einige Jahrhunderte nicht besiedelt war, da ab dem 2. Jahrhundert nach der Zeitrechnung eine Klimaverschlechterung einsetzte, welche zum zeitweiligen Rückgang des Ackerbaus führte.
Nach der Zeit der großen Völkerwanderung kamen Slawen, der Stamm der Sorben, und für unsere Gegend der Unterstamm der Daleminzier um 600 in unser Gebiet. Sie werden die Gründer von Calbitz gewesen sein. Sie bauten Blockhütten, welche mit Stroh oder Schilf gedeckt waren. So entstand eine Dorfform als Rundling.
Die Rodung von Wald ist anzunehmen. Auf den Äckern benutzten sie einen einfachen Pflug, der aber den Boden nur aufriß. Mit hölzernen Eggen wurde der Acker wieder geglättet. Nach einem Jahr Bebauung wurde der Boden wieder brach und ein neues Stück Boden wurde zur Bebauung genutzt. Im nächsten Jahr wurde wieder gewechselt, diese Form nannte man Zweifelderwirtschaft. Es wurde nur Getreide angebaut, außer Weizen. Möhren, Hülsenfrüchte und Rüben baute man nur in Gärten an.
Alle Ackerflächen, Wald und Wiesen wurden gemeinsam genutzt. Viehhaltung bestand aus Rindern, Ziegen, Schweinen, Geflügel. Pferde waren ganz selten. Es wurde in der Regel soviel produziert, wie für eine Dorfsippe benötigt wurde.
Eine Kuh wog damals nur ca. vier Zentner, ein Schwein war mit anderthalb Zentner schlachtreif. Außerdem spielte Fischfang eine große Rolle, dies war in und um Calbitz möglich.
Die deutsche Besiedlung
Mit der deutschen Besiedlung im 10.-12. Jahrhundert dürften weitere Waldflächen gerodet worden sein. Die Dreifelderwirtschaft löste die Zweifelderwirtschaft ab. Dadurch stieg auch die Produktion. Durch die Könige kam es zur Landverteilung an Ritter. Aus den Rittersitzen wurden Rittergüter. So entstand das Rittergut Altkötitz, wahrscheinlich schon im 11. Jahrhundert.
Ab 1300 kam es zu einer Agrarkrise. Seuchen dezimierten die Bevölkerung. Der Rückgang des Bedarfs an Getreide hatte die Stagnation der Getreideproduktion zur Folge. Die Flächenverminderungen führten auch zur Aufgabe von entstandenen Dörfern im Wermsdorfer Wald, Z.B. Altenhain, Albersdorf und Netthausen. Hier mögen aber auch die ungünstigen Bodenverhältnisse bei der Aufgabe eine Rolle gespielt haben. Aber ab 1300 setzte sich in der Landwirtschaft der Anbau von Spezialkulturen durch, auf dem Weinberg könnte man Weinanbau vermuten, woher sollte sonst der Name entstanden sein.
Weitere neue Pflanzen waren Hanf, Flachs, Hopfen und Färbepflanzen. In dieser Zeit begann eine weitere Ausdehnung der Schafhaltung. Außer der Pest wurde die Bevölkerung immer wieder infolge von Mißernten durch Hungersnöte dezimiert. Ab 1308 gab es allein fünf Jahre Mißwuchs durch Dürre.
1476 gehörte zum Rittergut Altkötitz der Marktflecken Calbitz, die Wüstungen Altenhain, Netthausen und eine Sandmühle (wahrscheinlich schon eine Wassermühle). Weiter wird noch ein Vorwerk Radewall in Kötitz erwähnt, welches abbrannte. Daraus dürfte dann der Rittersitz Neukötitz entstanden sein.
1588 werden erstmalig Besitzflächen des Rittergutes Kötitz angegeben, z. B. Waldflächen am Collm, am Brand, das Holz des Krahberges, sowie 10 Untertanen zu Calbitz.
1668 brannte Calbitz ab und das Flugfeuer vernichtete auch den Rittersitz Altkötitz.
„... Verzehrte das Herrenhaus nebst allen Nebengebäuden und brachte den damaligen Besitzer um sein ganzes bewegliches Vermögen, so daß er, wie die Nachrichten verlauten, nur eine Bibel, einen Hund und einen Hahn, der ihm aus dem Feuer nachflog, rettete ..."
1690 brannten dann nochmals Altkötitz und Neukötitz ab. Dies dürfte dann das Ende des Rittergutes Altkötitz gewesen sein.
Rittergut Neu-Kötitz
Calbitz und Umgebung waren fischreich. Davon zeugt auch eine Niederschrift des Pfarrers Melchior Gerlach vom Januar 1671, wo er vom Recht des Pfarrers spricht, in den Bächen von Calbitz und Malkwitz zu fischen.
Interessant sind auch einige Preise aus dieser Zeit.
Aus Kirchenunterlagen in Großböhla 1668:
12 Groschen für ein halbes Kalb
5 Groschen für eine Gans
7 Groschen für einen Schinken
1 Groschen und 6 Pfennig für 6 Pfund Honig
Nach Kirchenunterlagen aus Luppa vom Jahre 1715 kostete
1 Ochse 11 Thaler
1 Kuh 7 Thaler
1 Schaf 30 Groschen
Als Lohn für einen Tag Arbeit bekam in der Erntezeit
1 Mäher 3 Groschen, ohne Essen.
Nach 1690 wurde Neukötitz als alleiniges Rittergut wieder aufgebaut. Angehörige der Familie Wilke, der letzten Besitzer des Rittergutes, sind heute der Meinung, daß das Hauptgebäude des bis 1946 vorhandenen Gebäudes nach einem Entwurf des berühmten Daniel, Matthäus Pöppelmann gebaut worden ist. Das Gebäude sei infolge des sumpfigen Untergrundes auf Eichenpfähle gesetzt worden. Das war üblich und könnte der Fall gewesen sein. Auch der Entwurf durch Pöppelmann wäre möglich, da er seit 1686 im Dienste des sächsischen Hofes stand und nicht nur den Dresdener Zwinger, sondern auch Moritzburg und andere Schlösser entworfen hat. Genauere Nachforschungen wären bestimmt interessant.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wird das Rittergut so beschrieben, wie es annähernd bis 1945 bestanden hat. Dazu gehörte noch ein Brau- und Malzhaus, eine Schäferei mit Schäferwohnung, aber nicht mehr die Sandmühle, welche wahrscheinlich in Privathand verkauft worden ist. Die Gutsschmiede, eigenartig die Bauweise mit der großen Esse in der Mitte, ist wahrscheinlich erst um die Jahrhundertwende entstanden.
Der Park wird als herrschaftlicher Lustgarten, durchschnitten von fünf Wasserkanälen, beschrieben. Außer Gemüse- und Blumengarten werden auch zwei Hopfengärten wiederum erwähnt.
Der Viehbestand war folgender:
8 Ackerpferde
11 Zugochsen
37 Kühe
950 Schafe (im Kreis Oschatz gab es damals 18 000 Schafe)
19. Jahrhundert
Anfang des 19. Jahrhunderts soll das Rittergut auch den Weizenanbau hier eingeführt haben. Das erste Weizenfeld sei auf der Lichtung Inspektorkiefer am Weißen Stein gewesen.
Auch der Kartoffelanbau setzte sich in diesem Jahrhundert durch. Ebenso Rübenanbau und in Einzelfällen der Anbau von Tabak.
Die Dreifelderwirtschaft wurde durch die Fruchtwechselwirtschaft abgelöst. Trotz des nicht immer günstigen Bodens gab es in Calbitz auch größere Bauernwirtschaften, welche rentabel produzierten. Anregend für die Produktion des Rittergutes wie auch der Bauern, wirkte sich der 1851 in Dahlen gegründete landwirtschaftliche Verein aus, welcher sich für die Durchsetzung der Fruchtwechselwirtschaft, für bessere Ergebnisse in der Viehzucht, Anwendung der Düngung und moderne Bodenbearbeitungsmethoden einsetzte.
So führte beispielsweise Amtmann Müller aus Großböhla 1871 eine Drillmaschine vor. Trotzdem waren die Felderträge bescheiden und sehr witterungsabhängig. Wenn es auch keine Unterlagen aus der hiesigen Gegend gibt, kann man doch Niederschriften eines Lehrers aus Cavertitz zu Rate ziehen und ähnliche Erträge in Calbitz und Umgebung annehmen.
1893 - ein sehr trockenes Jahr! Hektarerträge, umgerechnet auf dt.
Winterweizen 8,5 dt/ha
Sommergerste 11,5 dt/ha
Winterroggen 9,0 dt/ha
Hafer 3,0 dt/ha
Kartoffeln 65,5 dt/ha
1907 - ein normales Witterungsjahr
Winterweizen 11,0 dt/ha
Sommergerste 18,0 dt/ha
Winterroggen 16,0 dt/ha
Hafer 18,5 dt/ha
Kartoffeln 150,0 dt/ha
Im 20. Jahrhundert stiegen allmählich die Erträge weiter. Das Rittergut spezialisierte sich weiter auf Schafzucht aber auch auf Milchproduktion. Die Milch, welche auf Flaschen abgefüllt wurde, wurde täglich mit eigenem Lieferwagen nach Leipzig geschafft. Auch Seidenraupenzucht muß in Calbitz schon vor dem II. Weltkrieg betrieben worden sein.
Ein letzter alter Maulbeerbaum befindet sich noch heute am Ende des Marktes am Grundstück Elste an der ehemaligen Milchrampe. Er ist ein Naturschutzdenkmal!
Nach dem II. Weltkrieg
Durch die Bodenreform 1945 wurde das Rittergut enteignet und die Familie Wilke, beliebt durch ihre Einfachheit und Freundlichkeit, verließ das Dorf. Durch die Landaufteilung entstanden Neubauerngehöfte. Leider wurde das Rittergut zerstört und abgerissen. Dies war ein unverzeihlicher Fehler. Für viele Zwecke hätte es mit seinem schönen Park genutzt werden können. Die Schafzucht wurde erst später durch die LPG weitergeführt.
Nach 1952 kam es wieder zu einem Wandel in der landwirtschaftlichen Produktion. Erste LPGen wurden gebildet. Aber die meisten Calbitzer Bauern standen nicht schlecht da und waren lieber dafür, in ihren Wirtschaften selbst zu produzieren. Allgemein war das Bemühen vorhanden, neueste Erkenntnisse der Wissenschaft im Stall und auf den Feldern anzuwenden. Dadurch stiegen die Getreideerträge, die Erträge bei Kartoffeln und Rüben, aber auch in der Viehwirtschaft. An den Hoftoren prangten die Schilder für TBC-freie Rinderbestände!
Den hölzernen schweren Ackerwagen ersetzte der gummibereifte Hänger, der Mist wurde mit einem fest aufgebauten Kran aufgeladen, Aufzüge für die Getreidesäcke wurden in einigen Gehöften ebenfalls installiert. Die MAS später MTS übernahm teilweise Feldbestellung und Ernte. In Kötitz entstand ein Stützpunkt der MAS/MTS. Die Getreidepuppen auf den Feldern verschwanden, nach und nach erfolgte die Aberntung der Getreidefelder durch die Mähdrescher.
1960 bildeten sich dann in Calbitz drei LPGen, welche nur Feldwirtschaft gemeinsam betrieben. Die LPG „Eintracht" Luppa mit gemeinsamer Feld- und Viehwirtschaft hatte auch in Calbitz einige Betriebe. Die drei LPGen schlossen sich jedoch bald zu einer LPG „Pionier" zusammen.
Auch gemeinsam wirtschafteten die Bauern recht erfolgreich weiter und schufen am Sandberg eine Hühnerfarm, in Kötitz einen Schweinestall und im Dorf einen gemeinsamen Kuh- und Kälberstall. Ansonsten war das Vieh noch individuell in den eigenen Ställen.
Anfang der siebziger Jahre erfolgte der Übergang zur LPG „Eintracht" Luppa und damit die Auflösung der individuellen Viehaltung. Außerdem mußte noch ein ziemlich hoher Inventarbeitrag eingezahlt werden. In den weiteren Jahren entstanden immer größere Feldflächen, welche modern bewirtschaftet wurden. Die Erträge erreichten für unsere Bodenwertzahlen hohe Zahlen, welche vorher nicht für möglich gehalten wurden. Sogar ein Agrarflugplatz entstand westlich vom Dorf. Die kleinen Agrarflugzeuge kreisten am Collm und düngten die Felder und die Gärten gleich mit. Aber diese Produktion war nicht immer umweltbewußt. Tote Rehe, tote Hasen, eine verminderte Vogelwelt und die Zunahme des Nitratgehaltes im Boden waren u. a. die Folge.
Die LPG „Eintracht" Luppa hatte 1974 folgenden Viehbestand:
3094 Rinder, darunter 1031 Milchkühe
4410 Schweine,
871 Schafe,
2 Pferde
produziert wurden:
4.235 252 kg Milch
4.728 dt Schweinefleisch
3.599 dt Rindfleisch
Die Hektarerträge auf den Feldern betrugen im gleichen Jahr:
45,2 dt/ha bei Winterweizen
38,9 dt/ha bei Winterroggen
240,0 dt/ha bei Kartoffeln
In den achtziger Jahren wuchs die Produktion weiter erheblich an, aber es war schon keine naturgemäße Erzeugung mehr. Die Trennung der Tierproduktion von der Pflanzenproduktion widersprach eigentlich der jahrtausendealten Tradition der Einheit von Tierhaltung und Ackerbau.
(Quelle: Calbitz am Collm 1292-1992, von Siegfried Heidler)