Bierbrauen in Calbitz

Die Geschichte der Bierbrauerei

Als im Jahre 1476 Caspar von Heinitz vom Burggrafen zu Leisnig das Rittergut Altkötitz in Lehn bekam, gehörte der Marktflecken Calbitz, die Wüstung Altenhain, Netthausen mit dem Zoll sowie die Sandmühle am Eingang des Dorfes in östlicher Richtung dazu.

Das Dorf Kötitz und das Vorwerk Radewall bestanden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Beide brannten im Hussitenkrieg ab. Das Vorwerk wurde allerdings wieder aufgebaut und später zum Rittergut Neukötitz erhoben. Wahrscheinlich war es Caspar von Heinitz, der den Bau veranlasste. Über den Standort des Rittergutes Neukötitz gibt es ebenfalls nur Spekulationen. Vermutlich stand es dort, wo heute die Familien Wegner, Höhme und Horch wohnen. Im Jahre 1485 ging das Rittergut Altkötitz, das Rittergut Neukötitz und das Vorwerk zu Calbitz an Christian von Heinitz über. In dieser Zeit gehörte zu diesen Gütern schon eine Rittergutsbrauerei.

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Diese war an der Dresden-Leipziger Landstraße, gegenüber dem Vorwerk zu Calbitz am Rande des zur Kirche gehörenden Wiesengartens, und der abzweigenden Straße nach Böhla erbaut worden. Man hatte den Standort bewusst gewählt, denn der kleine Mühlbach, der eigentlich zum Antrieb der Mühlen angelegt worden war, floss direkt am Brauereigrundstück vorbei. Sein sauberes, glasklares Wasser wurde zum Brauen von Braun- und Weißbier genutzt. Die Straße nach Böhla überquerte diesen Bach mittels einer kleinen Brücke.

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Der Bierkeller

Unmittelbar neben der Brücke war ein Pferdestall erbaut worden. Dieser Pferdestall war notwendig, da man das gebraute Bier mit Pferdewagen in einen Lagerkeller transportieren musste. Unter dem Brauhaus war der Boden feucht und nass, genau wie die Wiesen allesamt sehr sumpfig waren. Somit war das Ausheben eines Kellers unmöglich. Der im Herrenhaus von Altkötitz befindliche große Keller war deshalb bestens geeignet, um Bier zu lagern. Womöglich war dieser Keller schon zu Ritterburgzeiten vorhanden. Zu welchem Zweck auch immer. Er ist größer als das Herrenhaus selbst und über die Grundmauern hinaus in den langsam ansteigenden Weinberg hineingetrieben worden.

Die Ritterburg war entstanden durch einen Ritter, der das Dorf Kötitz im Jahr 926 von Heinrich I. geschenkt bekommen hatte. Im Kampf gegen die Daleminzier hatte er sich durch große Tapferkeit ausgezeichnet. Der Rittersitz befand sich dort, wo heute die Familien Essbach und Gröbe wohnen.

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Zur Kühlung des Bieres verwendete man in der Brauerei Kötitz Eis aus dem Alsenteich in Malkwitz. Hauptsächlich wurde in Calbitz Lagerbier produziert. Der benötigte Hopfen wurde in der Gärtnerei des Rittergutes angebaut. Das Abfüllen des Bieres erfolgte in Holzfässern.

Wie schon erwähnt, nutzte der Braumeister mit den Brauern das Wasser des Mühlgrabens zum Herstellen des Bieres. Das benötigte Malz-Getreide (Gerste) lieferte das Vorwerk zu Calbitz, später das Bock" sche Gut genannt.


Das Vorwerk

Das Vorwerk zu Calbitz war in dieser Zeit genau so alt wie die Brauerei, die Sandmühle und der Mühlgraben. Es war aus zwei Bauerngütern entstanden. Auf seinem Hof befanden sich ein großes Wohnhaus, ein Haus für zwei Drescherfamilien, eine Scheune und Viehställe sowie Wirtschaftsgebäude zur Lagerung von Getreide. Das Vorwerk war ein Lehnsgut und gehörte zeitweise zum Rittergut Neukötitz. Es wurde jedoch allzeit von einem Besitzer, der das Gut in Lehn besaß, geführt. Zur Verrichtung der Arbeiten besaß das Vorwerk zehn Untertanen aus dem Flecken Calbitz. Es befand sich dort, wo heute das Gasthaus „Zur grünen Tanne" steht. Die Grundstücke der Familien Wolf und Scheinert gehörten ebenfalls dazu. Nach seinem letzten Besitzer Christoph von Bock, wurde das Vorwerk auch das Bock'sche Gut genannt.

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Der Mühlgraben

Der Mühlgraben, der für das Bierbrauen unverzichtbar war, soll nun etwas genauer erwähnt werden. Er wurde angelegt, um die Mühlen unserer Region, dass heißt die in Luppa, Malkwitz und Calbitz anzutreiben. Der künstlich angelegte Bach kam vom Edelmannsteich in Luppa, unterquerte vorm Ortseingang die Dresden-Leipziger Landstraße und schlängelte sich bis zur ersten Mühle, der Mahl- und Sägemühle Luppa. Vor dort plätscherte er weiter bis zur Malkwitzer Mühle und dann durch die Wiesen hinter den Grundstücken von Calbitz entlang, durch die Stichel zum Brauereigebäude. Unterwegs nahm der Mühlgraben den Altenhainer Bach in sich auf, der von seiner Quelle im Wermsdorfer Wald durch die Wiesen und Felder, am Rande des Dorfes entlang schließlich in Kötitz angekommen ist.

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Die Brauerei und das Braurecht

Was geschah nun mit dem Bier im Keller des Rittergutes Altkötitz? Schon damals wurde das Bier aus Calbitz in andere Orte verkauft. So zum Beispiel nach Merkwitz und Mügeln, aber auch nach Lorenzkirch wurde das Bier geliefert. Selbstverständlich war der Verkauf von Bier an die Einwohner von Calbitz und Malkwitz.

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Die von der Herrschaft vergebene Braugerechtigkeit an die Untertanen von Calbitz nutzten die Bewohner, die einen Keller und entsprechende Räumlichkeiten besaßen, um selbst Bier zu brauen. Das Herstellen der sogenannten Braunahrung war für einige Leute im Dorf lebensnotwendig. Denn manche hatten wenig Feld und Wiesen oder gar wenig Vieh und konnten sich mit dem Brauen und Ausschenken von Bier etwas hinzuverdienen. Auch konnten sie Bier aus dem herrschaftlichen Bierkeller kaufen und ausschenken. Die Pferdner haben es mit Bierkutschen breitgefahren und in den Keller der Halbhüfner eingelagert.


Das zweite Brauhaus

In den Jahren 1574 - 1582 war neben dem Brauhaus des Rittergutes Altkötitz noch ein Brauhaus errichtet worden. Dieses gehörte zum Rittergut Neukötitz. Das Grundstück war dazu groß genug. Das Flurstück allerdings, worauf das zweite Brauhaus stand, wurde dem Vorwerk zu Calbitz zugeschlagen. Dieses wurde nämlich steuermäßig vom Rittergut Neukötitz mitverdient. Die Besitzverhältnisse in dieser Zeit waren für heutiges Verständnis manchmal sehr undurchsichtig aber auch nicht weniger bürokratisch.

Die beiden Brauhäuser haben lange Zeit nebeneinander Bier produziert, bis wahrscheinlich um 1707 ein Brand die Brauhäuser stark in Mitleidenschaft gezogen hatte. Es wurde zwar weiter Bier gebraut, aber der Verfall war unabwendbar. Die Häuser zerfielen. Durch Wind und Wetter wurden auch die Braugeräte stark beschädigt, da die beiden Giebel an den Häusern schon heruntergebrochen waren.

Im Jahre 1731 beschloss der damalige Besitzer des inzwischen neuerstandenen Rittergutes Alt- und Neukötitz, Hofrat Benedikt Oertel die beiden Brauhäuser einzureißen und ein gemeinsames Brauereigebäude zu errichten. Die spätere Besitzerin des Rittergutes Christiane Sophia Wilhelmine von Ponikau hat sich dann nach langem Disput mit ihren Untertanen entschlossen ein neues Brauhaus aufbauen zu lassen. 1752 war schließlich die neue Brauerei fertig gestellt und es konnte wieder Bier gebraut werden.

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Die Bierschenken in Calbitz

Bierschenken hat es in Calbitz schon vor langer Zeit gegeben, in welcher Form auch immer. Im Zusammenhang mit den Brauhäusern müssen sie aber unbedingt erwähnt werden. Die Schenken haben das meiste Bier ausgeschenkt und das Dorfbild entscheidend mitgeprägt. Die bisher einzige Gründung einer Gaststätte, die bekannt ist, fand 1727 statt. Der Kaufmann Johann Christoph Baurath baute in das damalige Posthaus, dem vorherigen Herrenhaus des Vorwerkes, das Gasthaus „Zur Grünen Tanne" ein.

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Das sogenannte Bock"sche Gut diente der militärischen Einquartierung und Verpflegung. Ebenso für die Unterbringung von Durchreisenden in Postkutschen, aber auch für Fuhrleute mit Frachtwagen, die zum Teil von 4 Pferden gezogen worden.

brauerei 8 Schon sehr früh wird auch das Gasthaus „Zum Goldenen Lämmchen" am westlichen Rand von Calbitz erwähnt.
brauerei 9 Ebenso ist die Garküche eine sehr alte Einrichtung im Dorf.
brauerei 10 Das Gasthaus zu den „Drei Lilien" steht seit langer Zeit am Marktplatz des Dorfes und war das vordere Gebäude eines großen Vierseithofes.
brauerei 11 Püschels Gasthof ist sicherlich in neuerer Zeit entstanden. Aber noch vor 1914.
brauerei 12 Das ehemalige Bauerngut Emil Böttcher ist ebenfalls ein Gasthof gewesen. Den Bierkeller sieht man heute noch.
brauerei 13 Wenig bekannt ist das Gasthaus „Zum Schwarzen Ross", welches sich vor langer Zeit im Bauerngut Schöne befand. Das sogenannte Schönes Gut war auch einer der Vierseithöfe in Calbitz.



Das Ende vom Rittergut Altkötitz und vom Rittergut Neukötitz

Ein ganz wichtiger Punkt in der Geschichte der Bierbrauerei Kötitz, wie sie später genannt wurde, ist der Bierkeller. Bis zum Jahre 1689 hat der Rittergutsbesitz Altkötitz noch existiert und damit auch der Bierkeller.

Aber vom 24. zum 25. Januar 1690 brannte das Gut ab. Was mit dem Bierkeller geschah ist nicht bekannt oder ob das Rittergut überhaupt vollständig abbrannte auch nicht. Auf alle Fälle ist im Keller der Familie Gröbe ein Türschlossstein mit der Jahreszahl 1755 noch vorhanden. Es ist anzunehmen, dass das Wohngebäude und auch der Keller wieder aufgebaut worden sind. Noch heute steht das Gebäude in veränderter Form, äußere Form auf dem kleinen Berg, der zum Weinberg hin ausläuft. Das gleiche Schicksal wie das Rittergut Altkötitz ereilte im Jahre 1694 das Rittergut Neukötitz.

Am 18. April brannte das Herrenhaus mit den Wirtschaftsgebäuden vollständig ab. Es ist anzunehmen, dass die alten Besitzer von Altkötitz und Neukötitz Heinrich Anselm von Ziegler und Moritz Heinrich von Harlitzsch auch das gemeinsame Rittergut Alt- und Neukötitz in Form eines langen Viereckes wieder aufbauen ließen. Diese Form des Rittergutes kennen wir heute noch.

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Wahrscheinlicher ist aber, dass Caspar Heinrich von Benkendorf mit seiner Frau Eva, geb. v. Schleinitz, das Rittergut wieder hat aufbauen lassen. Sie waren die ersten Besitzer des neu errichteten Gutes. Auch die Brauerei war nun in den Besitz von Alt- und Neukötitz übergegangen. Nach Caspar Heinrich von Benkendorf hat es noch neun weitere Besitzer des Rittergutes gegeben.

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In der Neuzeit

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Der vorletzte Besitzer des Rittergutes Kötitz war Adolph Bake. Er hatte im Jahr 1898 das Rittergut mit samt der Bierbrauerei gekauft. Im Jahre 1906 hat er das Brauereigebäude und den Pferdestall sanieren lassen. In das Brauhaus war auch eine Wohnung für den Braumeister neu eingebaut worden.

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Seit einiger Zeit wurde das Wasser zum Brauen des Bieres nicht mehr aus dem Mühlbach, sondern aus einem Brunnen entnommen, der gegenüber des Brauereigebäudes auf der anderen Straßenseite angelegt worden war. Allerdings hat es auch mit den Abwässern der Brauerei Schwierigkeiten gegeben. Sie flossen hinter dem Gebäude in eine Grube und von dort durch ein Holzrohr unter dem Mühlbach hindurch in den Straßengraben. In den Graben floss dann das Abwasser bis zum Parkrand und dort in die vorbei fließende Luppa. Durch die Verschmutzung des Baches war der Fischbestand erheblich zurückgegangen. Trotzdem produzierte die Brauerei noch einige Jahre Malz- und Weißbier. Auch der Bierkeller im ehemaligen Herrenhaus des Rittergutes Altkötitz wurde noch zur Lagerung des Bieres genutzt. Einige Kutscher, die das Bier regelmäßig zum Bierkeller oder in die Brauerei brachten, sind noch namentlich bekannt. Das waren Otto Birkner und Franz Wittig aus Calbitz. Die beiden letzten Braumeister waren Otto Roßberg und Emil Gey.


Das Ende der Bierbrauerei Kötitz

Wegen Absatzschwierigkeiten aber auch wegen der nicht zu klärenden Schwierigkeiten mit dem Abwasser wurde die Brauerei im Jahr 1912 schließlich für immer geschlossen. 400 Jahre ist an dieser Stelle Bier gebraut worden. 1913 ließ der Rittergutsbesitzer Adolph Bake in das Brauereigebäude Saisonarbeiterwohnungen einbauen. Im Jahre 1916 verkaufte Adolph Bake das Rittergut und die Brauerei an die Familie Wilke. Sie waren nun die letzten Besitzer und führten das große Gut bis zum Kriegsende 1945.

Die Brauerei war während des Krieges Unterkunft für die Sommerarbeiter des Rittergutes. Hauptsächlich junge polnische Mädchen waren in diese Zeit im Dienste der Herrschaft. Nach Beendigung des Krieges, im Juni 1945, zogen in das schon hoch betagte Gebäude Flüchtlinge aus Oberschlesien und Ungarn ein. Auch zwei Neubauern wurde ein Teil des Hauses zugewiesen.

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Im Jahr 1989 wurde dann die alte Brauerei, nachdem die letzten Bewohner ausgezogen waren, gesprengt.

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Die Überreste des großen Hauses wurden in der alten Sandgrube am östlichen Ende des Dorfes deponiert."

(Quelle: Vom Bierbrauen in Calbitz, Heimatverein Calbitz, 2005)